Lebenslauf (Grabrede) Margarete HAIKER

Margarete Haiker wurde als achtes von neun Kindern am 19. April 1920 in Grünau, in Sudetendeutschland, in der heutigen Tschechoslowakei geboren.
Sie wuchs dort mit ihrer jüngeren Schwester Rosa auf. Sie half und arbeitete in der elterlichen Landwirtschaft und im Gasthof.
Nach Kriegsende und der Neuaufteilung der Staatsgrenzen, wurde das Sudetenland der Tschechei zu geteilt. Ihre Familie wurde enteignet und verlor alles Hab und Gut. Durch ihre Schwester Emma war es möglich, Grete, ihre Schwester Rosa und ihre Eltern in einer Nacht- und Nebelaktion nach Wien zu holen.
Als sie sich bereits in Sicherheit wogen, wurde Grete so wie ihre Schwester Rosa durch die Russen ausgewiesen und nach Deutschland abgeschoben. Bei deutschen Familien fanden sie Arbeit für Kost und Logie.
Ihr Schwager Franz Prisching holte sie nach einigen Jahren zurück nach Wien. Grete half ihrer Schwester Emma im Haushalt und in deren Milchgeschäft. Schon bald übernahm sie die Urlaubs- bzw. Krankenvertretungen in den Filialen der Wiener Milchverwertung Dobersberger. Durch ihre Tüchtigkeit wurde ihr bald darauf eine eigene Filiale im 2. Bezirk angeboten, die sie bis 1963 führte.
In diesem Jahr verstarb ihre Schwester Anna. Dies leitete einen neuen Lebensabschnitt für sie ein. Sie wechselte die Branche: von der Milchverkäuferin zur Fleischverkäuferin, um Ihren Neffen  Willi in seinem Geschäft zu unterstützen. Als einige Jahre später ein weiteres Geschäfte hinzukam, führte sie bis zu ihrer Pensionierung die Filiale fort.
1976 wurde im Wohnhaus, in dem auch ihr  Neffe wohnte eine Wohnung frei. Sie nütze diese Gelegenheit und übersiedelte. Durch diesen Schritt veränderte sich ihre private Situation wesentlich, denn mit dem Einzug in ihr neues Heim, zog auch ich bei ihr für 9 Jahre ein. Durch diese räumliche Nähe, ergab sich auch eine persönliche Nähe. So wurde sie für mich von einer Tante zur Großmutter.
Nach ihrer Pensionierung blieb sie für unsere Familie eine große Stütze, indem sie immer hilfreich zur Seite stand, wann und wo Not an der Frau war.
1995 zog ihre Schwester Rosa aus Deutschland zu ihr; gemeinsam teilten sie bis zu deren Krankheit den Alltag.
Am 28.02.2005 erlitt sie einen Schlaganfall. Es folgte ein längerer Spitals- und Rehabaufenthalt. Erst im Juli 2005 konnte sie wieder nach Hause entlassen werden. Seit dieser Zeit wurde sie von ihrer Nichte Traude und ihrem Neffen Willi liebevoll umsorgt und gepflegt. Der heurige Sommer, der durch ständigen Wechsel von unerträglicher Hitze und kühleren Regentagen gekennzeichnet war, machte ihr sehr zu schaffen.
So erlag sie am 12. September 2006  ihrem schweren Herzleiden und verschied mit einem friedlichen Lächeln auf den Lippen.
Liebe Tante Grete du hast dich Zeit deines Lebens nie groß feiern lassen, und doch ist es so wichtig - begreife ich nun - einschneidende Lebensphasen miteinander zu teilen, in dem man sie gemeinsam feiert. So bin ich davon überzeugt, dass wir, indem wir hier versammelt sind, um uns von dir zu verabschieden, einen Teil dazu beitragen können, um dich zu unterstützen in eine andere Phase deines Seins einzutreten.
Einmal hast du mir die Frage gestellt, was der Sinn deines Daseins sei, denn du könnest nur die Arbeit erkennen! Damals konnte ich dir keine Antwort geben. Ich für mich habe inzwischen erfahren, dass man manches Mal nur ein bisschen auf die Seite treten muss, um zu erkennen, dass jede Medaille zwei Seiten besitzt.
Wenn Arbeit auf der einen Seite steht, dann steht dem auch etwas gegenüber. Was also war der Lohn auf der anderen Seite?
Ich wünsche mir für dich, dass sich diese Frage für dich beantwortet.
Aus meiner Sicht warst du für mich wie eine Großmutter, die mir das Leben um Vieles bereicherte, das ich um nichts missen möchte. Jetzt wo du gegangen bist, wird mir klar, dass man vieles als selbstverständlich ansieht, wenn man es nicht anders kennt. Ist es dann außer Reichweite, erkennt man erst, welche Lücke im System entstanden ist.
Für unsere Familie hast du, Tante Grete, eine wichtige und tragende Rolle gehabt, die niemand wirklich abschätzen kann, weil sie so umfangreich war. Dein hilfsbereites Wesen war immer zur Stelle. In meinen jungen Jahren als Babysitter, oder indem du mit uns die Schulaufgaben machtest. Im Geschäft meiner Eltern warst du ein Allrounder, denn es gab nichts, was du nicht konntest bzw. getan hättest. So wurde hinter deiner, manches Mal harten Schale, durch dein Handeln doch immer dein weicher Kern sichtbar. Es gäbe noch so viel auf zu zählen, was den Rahmen sprengen würde.
Was ich im Laufe der letzten Jahre beobachten konnte, war, dass dein Lebensweg immer friedvoller wurde, so hat sich wohl auch die andere Seite der Medaille für dich offenbart.
Ist ein lieber Mensch von uns gegangen, was bleibt uns dann, außer die Gedanken an ihn und die Erinnerung an gemeinsam verbrachte Stunden?
Meine Hoffnung knüpfe ich an die Überzeugung, dass es uns gelingt, die Werte, die wir an diesem geliebten Menschen so schätzten und die uns mit ihm verbanden, in unser Leben zu integrieren. Dann lebt dieser Mensch in uns fort und bleibt sowohl für uns, als auch für andere lebendig. Mit dieser Einsicht möchte ich mich von dir verabschieden.

Margit